Ausschnitt aus „Das Fell der Tante Meri“ (Picus, 2014)
Die Tante Meri ist im Grunde genommen eine liebe Person gewesen. Der Ferdl hat sich das immer wieder gesagt. Er ist sich nicht sicher gewesen, ob das irgendwer anders auch so gesehen hat, aber er, der Ferdl, hat es gewusst. Er würde sie doch irgendwo vermissen, jetzt, wo sie gestorben ist. Der Ferdl hat sie schon lange gekannt, schon seit er ganz klein gewesen ist, und immer ist sie ihm gleich alt vorgekommen. Mit ihren Blumenschürzen und ihren auftoupierten Haaren, mit den zwei weißen Hunderln, die im Winter `63 kläglich verendet sind nach dem Zusammenstoß mit einem Lastkraftwagen, mit ihren Stützstrümpfen und den goldenen Schnallen an den weißen Hauspatschen. Er hat sich dunkel erinnern können, wie sich die Frisur von der Tante Meri angefühlt hat. Die Frisur ist überhaupt das Prominenteste an der ganzen Gestalt gewesen, gegens Licht hat nichts durchgescheint, so eng sind die Haare miteinander verfilzt gewesen. Groß ist ihre Frisur gewesen und bedrohlich und voller Haarspray, und wenn sich die Tante Meri bewegt hat, dann hat die Frisur mitgewackelt. Als Kind hat er ihr einmal draufgreifen dürfen auf den Haarturm – das hat er aber nur einmal gemacht. Es hat sich angefühlt wie etwas Totes unter seinen Händen. Daraufhin hat es der Ferdl bleiben lassen.
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Zum/r Autor/in
1990 in Wien geboren, aufgewachsen im Burgenland. Studierte Publizistik und Kommunikationswissenschaft und Philosophie an der Universität Wien. Zahlreiche Lesungen, Publikationen in Anthologien, Literaturzeitschriften und im Radio. "Das Fell der Tante Meri", Debütroman Picus Verlag Wien 2014, "Chikago", Roman, Picus Wien 2017.
Veröffentlichungen:
(Auszug): Blauschimmel. Gelesen von: Barbara Horvath. Radio Ö1. In der Reihe: Texte - Neue Literatur aus Österreich. Gesendet: 12.7.2010. / Ich schließe auf Sonne. Thema: „Brandreden". In: podium. Doppelheft 165/166. Herbst/Winter 2012. / 2 Gedichte. In: kolik 59. Zeitschrift für Literatur. Juni 2013. / Das Fell der Tante Meri. Roman. Wien: Picus Verlag. 2014. / Letzte Stunden. In: Löcker, Dorothea/Potyka, Alexander: Mordserfolg. Sechzehn Kurzkrimis. (Geburtstagsanthologie anlässlich 30 Jahre Picus Verlag.) Wien: Picus Verlag. 2014. / man spielt nicht mit dem essen und wenn dann so, dass es durch die finger rinnt. gedichte. In: manuskripte. Zeitschrift für Literatur. Nr. 205/Herbst 2014. / meinburgenland. eine lethargie. mit abschließender aufbruchsstimmung. In: Gerbavsits, Michael/Pehm, Georg/Schneeberger, Walter [Hrsg.]: Mein Burgenland. Ansichten. Einsichten. Aussichten. Graz: Leykam Verlag. 2014,
Chikago.Roman. Wien: Picus Verlag 2017.