Da waren Blumenwiesen, gleich hinterm Haus Hügel, die Luft war ein grünes Tanzen, sie nahm eine Gestalt wahr, die ihre: Busen, Hüften, errötend flog sie herum und in allerhand Zukunft, sie hatte die Poesie entdeckt: Es knisterte und klarte auf, wenn sie sprach, am Wort war - oder wenn sie die Gedanken der anderen zu Wort brachte, sie hing im „Steuerrad" der Dachluke und verließ die Ufer - sie erfand und zerriß sich in ihren Gedichten, die Dramen der Nachbarn, das Anschreien und Anschweigen von Mutter und Vater erreichten sie nicht, sie sah die Winde aus West und Südost über der Burg zusammenstoßen - abfallend jagten sie Staubwächten durch die Stadt, scheuerten sich wund an den Hügeln, schraubten sich heulend hinauf, um die Wolkenfrachter wild aufeinanderzuwerfen - welchem der Regen gehorchte, war nicht zu sagen, nicht - wie dieser Geruch nach den ersten Tropfen zustande kam - wie Luft in schrägen Strahlen über die Stadt ging - wie die Straße sich gabelte, eine frischgewaschene Hand, die Häuserreihen zwischen den grünen Kirschbaumfingern bogen sich abwärts zur Stadt, zur Mitte der Welt, deren Inneres wie Glas war, die Dinge waren auch einfach und mit Vertrautheit zu sehn. Dann - im Gegenlicht - Silhouetten von Uniformen, die den Zug bestiegen, die zur Verteidigung der Heimat - Ostmark hieß sie - einrückten. Immer düsterer wurden diese Wirbel, immer himmelstürmender, waffenartiger, kindlicher, blutiger. Zuletzt der, den sie selbst ausgelöst hatte, der sich in Wien nicht beruhigt hatte, im Gegenteil - und auch hier, auch hier war sie im Handumdrehen enttarnt, überführt, aufgesperrt, aufgescheucht, ausgeleuchtet, ausgebrannt bis ins Mark. Wie sehr entfernt man sich von dem Wesen, das man doch bleibt? Und das alte Bild mit der unverwüstlichen Burg? Es ist ein anderes Bild ... Unser Solitär!, sagte Vater. Sein Solitär war sie bis Günter kam - die weiten Augen graudunkel, bisweilen blau, die Farbe wechselte, war unbestimmt, wie sie selber, war bisweilen bernsteinern in der über den Montmartre steigenden Sonne - der Mund ungenau oder zu singen bereit ...

Aus „Die Hügel nach der Flut/Was geschah wirklich mit Hertha K.?", Salzburg 1997

Zum/r Autor/in

Geb. 1942 in Unterfrauenhaid, aufgewachsen im Burgenland, lebt als Schriftstellerin in Wien. Mitglied des P.E.N. Clubs.

Veröffentlichungen: u.a.

Traktate des Windes. Klage, Getöse, Flucht, Gedichte, Verlag Bibliothek der Provinz, 2019, Stahlrosen zur Nacht, Strophen eines Romans, Verl. Bibliothek d. Provinz, 2018, Funken.Klagen, Gedichte, Verl. Bibliothek d. Provinz, 2016, Flucht vor der Nacht, Roman, Verlag Bibliothek der Provinz, 2015, Morgenbetrachtung. Verweilen im Gesicht, Verlag Hohenems-Wien, 2008; Wenn die Erinnerung Atmet, Edition Doppelpunkt, 2003; Bibliotheken, Verlag Der Apfel, 2006 ;Wortweben, Verlag Der Apfel, 1991; Odyssee, Books on Demand, Norderstedt, 2003; Bibliothek: Deutschsprachige Gedichte VII, Realis-Verlags-GmBH, 2004; Alles Stille, Styria Verlag, 1997; RAK, Slowak. Edition, 2004; Eisfeuer, Erotische Gedichte, Wiener Frauenverlag, 1986; Fell aus Titan. Gedichte zum Thema Schmerz, Wiener Frauenverlag, 1989; ...sah aus, als wüsste sie die Welt, Wiener Frauenverlag, 1990; Häm und Tücke, Wiener Frauenverlag, 1991;SALON, Ars Nova Verlag, 1994; Romboid, Edition, Vydáva Asociacia Slovenska, 7, 1995 "Mord vor Ort", Wien 1994; „Die Hügel nach der Flut/Was geschah wirklich mit Hertha K.?", Salzburg 1997; „Befragung des Zorns", Lyrik, Salzburg 1999.

http://www.dine-petrik.com/

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