Ein lautes, hölzernes Geräusch
"Na?«, fragte sie. »Kannst du nicht schlafen?"
"Nicht so gut", sagte Johannes.
Es war ihm unangenehm, was sie gesehen hatte, und er spürte einen Moment lang, wie eine leichte Unruhe in ihm aufkam. Er stand auf, nahm das Weinglas und ging zu ihr hin. Einen Augenblick standen sie sich gegenüber, dann gingen sie ein paar Schritte im Wohnzimmer nebeneinander her. Später setzten sie sich an den Küchentisch. Johannes schob ihr das Päckchen Zigaretten entgegen, sie rauchten schweigend. Nach einer Weile fragte er:
"Und du? Hat dich der Fernseher geweckt?"
»Nein, nein«, sagte die Schwester.
Johannes nickte. Die Schwester nickte ebenfalls.
"Wie es scheint, wird das Wetter auch mitspielen", sagte sie. "Sie haben vierundzwanzig Grad angesagt."
"Schön", sagte Johannes.
"Gerade richtig, würde ich sagen."
"Gerade richtig", sagte Johannes.
Beide nickten wieder. Sie wussten nicht, worüber sie reden sollten. Sie blickten einander an. Der Kühlschrank summte. Helen wischte mit der flachen Hand über den Tisch, hob den Aschenbecher auf, wischte darunter, stellte den Aschenbecher wieder zurück. Johannes schlug die Beine übereinander, rückte ein Stück mit dem Stuhl zur Seite. Ein lautes, hölzernes Geräusch war die Folge, es war sehr unangenehm, und es schien sich im ganzen Haus zu verbreiten. Johannes spürte, wie sich die Haare an seinen Unterarmen aufstellten. Auch die Schwester war erschrocken. Sie hatte die Augen weit geöffnet und seufzte
"Vielleicht sollten wir doch endlich den Filz unter die Stuhlbeine kleben«, sagte sie. »Er liegt seit einem halben Jahr in der Abstellkammer."
aus: Bernhard Strobel "Sackgasse" Alle Rechte vorbehalten ©
Literaturverlag Droschl Graz - Wien 2007
Zum/r Autor/in
Geb. 1982 in Wien. Studium der Skandinavistik an der Universtität Wien. Lebt als freier Autor und Übersetzer aus dem Norwegischen inNeusiedl am See.
Preise und Auszeichnungen, u.a. Staatsstipendium für Literatur 2007 und 2009, Literaturpreis des Landes Burgenland 2003, 2017. Outstanding Artist Award für Literatur 2019. Österreichischer Staatspreis für literarische Übersetzung 2021.
Veröffentlichungen:
2022 "Geschichten aus der Hienzey", Erzählungen, edition lex liszt 12.
2021 "Nach den Gespenstern", Erzählungen, Droschl.
2018 "Im Vorgarten der Palme", Roman, Droschl Verlag
2015 "Ein dünner Faden" Erzählungen
2010 "Nichts, nichts" Erzählungen
2007 "Sackgasse", Erzählungen, Droschl Verlag
Übersetzungen:
Tor Ulven " Das allgemein Unmenschliche" 2014, Bjarte Breiteig „Phantomschmerzen" Luftschacht 2013, Tor Ulven „Dunkelheit am Ende des Tunnels" Droschl 2012, Bjarte Breiteig "Von nun an" ,Luftschacht 2010