Im Burgenland bin ich kein Flüchtling. Und selbst wenn ich es wäre – denn so steht es auf dem provisorischen grünen Blatt Papier, das ich gleich nach meiner Ankunft hier erhalten habe –, fühle ich mich nicht als ein solcher, denn ich kenne den Bürgermeister. 

Er hielt mit seinem Auto und nahm mich mit, als ich auf dem Weg zum Zigarettenladen war. 

Dass er der Bürgermeister war, sagte er mir damals nicht, das erfuhr ich erst später.

Ich kenne die Männer der Müllabfuhr hier, die Nachbarn und ihren Kater Bruno, und ich kenne die Dorfnärrin, die sich an meinen Anblick gewöhnt hat und meinen Gruß erwidert. 

Was wird aus der armen Frau werden, wenn ich fort bin?

Ich kenne die Betrunkenen, die mir auf dem Markt raten, normale Eier statt Bioeier zu kaufen, weil sie zu teuer seien, und sich dann in aller Ruhe wieder zurückziehen, um sich noch ein Bier zu kaufen.

Im Burgenland bin ich kein Flüchtling. Aber sicherheitshalber versuche ich mir die Sozialversicherungsnummer zu merken, die sie mir in Abwesenheit zugeteilt haben.

Manchmal sage ich sie sogar vor dem Einschlafen auf, obwohl ich in Syrien nicht einmal meine Nationalnummer auswendig konnte. Ich versuche sie mir zu merken, weil ich Angst habe, dass sich eines Tages mein Name wesatz gen der schwierigen Aussprache ändern könnte. 

Deshalb gebe ich die Nummer jetzt jedes Mal zum Besten, wenn ich mich jemandem vorstelle.

aus dem Text "Was wurde aus den Zugvögeln?" in: "Der Tod backt einen Geburtstagskuchen", 2017

Zum/r Autor/in

Geboren 1987 in Deir al-Zor in Syrien, studierte in Aleppo Telekommunikationstechnologie. Seine Kindheit verbrachte er teilweise in Algerien, bis seine Familie 1992 bei Ausbruch des Bürgerkriegs nach Syrien zurück musste. Als in seiner Heimat der zunächst friedliche Aufstand gegen das Regime mit militärischer Gewalt unterdrückt wurde, floh er Ende 2012 nach Ägypten. Über Dubai und die Türkei kam er 2014 nach Öster­reich, wo er nach zwei Jahren im Burgenland nunmehr in Wien lebt.
Regelmäßige Veröffentlichungen von Texten in zahlreichen Zeitungen und Zeitschriften seit 2005 in Syrien und im Mittleren Osten. "Der Tod backt einen Geburtstagskuchen" wurde für den renommierten "Internationalen Literaturpreis" des Haus der Kulturen der Welt in  Berlin, nominiert.

Veröffentlichungen:

"Der Regen der ersten Wolke", Verlag Arwad Publishers International Inc., 2012
"Der Tod backt einen Geburtstagskuchen", übersetzt von Larissa Bender, pudel­und­pinscher 2017
“In meinem Bart versteckte Geschichten”, übersetzt von Larissa Bender und Kerstin Wilsch, Edition Korrespondenzen 2020

www.hamedabboud.at

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