Broken German
mit Tomer Gardi
Ein anspielungsreiches, anspruchsvolles und vergnügliches Plädoyer für die Sprachenvielfalt in der einen Sprache, für die Regelübertretung, für das nicht Normierte.
Literaturhaus Mattersburg
„Nein. Jetzt aber wirklich. Jetzt aber ernst. Hat Radili das Messer wirklich im Flughaffen gelassen? Er ist zur zeit schon nicht ganz so sicher. Im dritten Schublade vielleicht? Vielleicht hat er es Amadou gegeben? Vielleicht ist es in sein Schu? Vielleicht steckt es in jemandens Rücken? Vielleicht hängt es an jemandens Wand? Und es macht ihm Angst. Das sorgt ihm. Es macht ihm nervös. Denn er hat keine ahnung, keine ahnung wie und wo und wann wird das Messer von ersten Akt wieder in seine Geschichte auftauchen. Und der Schrei. Wann taucht wieder der Schrei. Das ist kein Deutsch. Das ist kein Deutsch. Was WIR reden ist Deutsch. Das ist kein Deutsch!"
(Tomer Gardi, Broken German, Seite 10,11)
Es wäre ein ganz normaler, übermütiger und ungenierter Großstadtroman, wäre da nicht seine Sprache, die Sprache all dieser Migranten, die wie der Erzähler - »Das ist kein Deutsch!« - aus ihrer Sprache deportiert und aus der Geschichte bzw. der Erzählung hinausgeworfen wurden. »Realismus schreiben nur Menschen mit einem festen Wohnsitz und einer Aufenthaltserlaubnis«, sagt Tomer Gardi und entwickelt in Broken German ein anspielungsreiches, anspruchsvolles und vergnügliches Plädoyer für die Sprachenvielfalt in der einen Sprache, für die Regelübertretung, für das nicht Normierte.
Jahre, nachdem Radili sich nach bedrohlichen Anpöbelungen durch Skins ein Messer gekauft hat, kehrt er als Erwachsener in dieselbe Stadt zurück, und seine neuen Freunde aus der »linksradikalen WG« wollen einen Film daraus machen. Die Suche nach dem damals vergrabenen Messer ist die erste von vielen Situationen, die der Erzähler vor uns abrollt, fallen lässt, neu aufnimmt und auf ganz unorthodoxe Weise miteinander verknüpft. Er entwickelt eine Szene im Jüdischen Museum, die in einen Krimi mündet, er bespricht mit seiner Mutter Erinnerungen an ein von den Deutschen besetztes Dorf in Rumänien (»Eine dicke Mann, der seine Ärmel hoch rollt, fast bis zum Achsel, und sagt, bis hierher, bis hierher hätte ich, bis hierher hätte ich meine Ärme in Judenblut eintauchen, lebt in meine Mutter«), er rekapituliert einen Schulausflug zu archäologischen Grabungen im Norden von Israel, und immer wieder finden wir uns in der »Bar zum Roten Faden«, in Lokalen und Callshops wieder, in denen Radili und seine Freunde Amadou, Fikert, Anuan, Abayomi und Jamal abhängen.
Tomer Gardi
Geboren 1974 im Kibbuz Dan in Galiläa, studierte,Literatur und Erziehungswissenschaft in Tel Aviv und Berlin. Er war Herausgeber der Zeitschrift »Sedek: A Journal on the Ongoing Nakba«, ein Projekt der israelisch-jüdischen Initiative Zochrot, die die Erinnerung an die Vertreibung der Palästinenser
im öffentlichen Diskurs verankern will. Tomer Gardis literarischer Essay Stein, Papier (dt. 2013 bei Rotpunkt) erschien 2011. Tomer Gardi las beim Bachmannpreis 2016.
Die Veranstaltung ist eine Kooperation mit dem P.E.N-Club Burgenland.