Ängste, Abgründe
Lesung mit Antonio Fian und Bernhard Strobel
Die Brutalität der Satten und Zufriedenen.
Literaturhaus Mattersburg
»Antonio Fian überrascht mit einem bitterbösen Psychothriller, dem es aber wie gewohnt nicht an Humor fehlt.«(Sophie Weilandt, ORF)
»Hier wächst eine stille Opposition zum erzählerischen Mainstream heran, die bald schon mehr Zulauf bekommen könnte.« (Sebastian Fasthuber über Bernhard Strobel im ›Falter‹)
Das Polykrates-Syndrom
Artur führt eine unspektakuläre, in geordneten Bahnen verlaufende Ehe mit der Mittelschullehrerin Rita, jobbt, obwohl Akademiker, in einem Kopierzentrum und als Nachhilfelehrer und ist ganz allgemein nicht sonderlich ehrgeizig oder anspruchsvoll. Bis eines Tages eine gewisse Alice den Copyshop betritt und eine Notiz hinterlässt ...
Was nun ins Rollen kommt, ist eine Zeit lang ausgesprochen komisch, aber diese Komik nimmt unversehens immer düsterere, schließlich grauenhafte, wie einem Splattermovie entsprungene Formen an, und die bisher so satten und zufriedenen, vielleicht sogar glücklichen Romanfiguren sehen sich unausweichlich in Handlungen verstrickt, die weder sie sich selbst noch die Leser ihnen jemals zugetraut hätten.
»Es geht uns allen viel zu gut. Die Kinder sollen's einmal besser haben«. Der kurze Text »Die guten Eltern« aus Antonio Fians Gedichtband Fertige Gedichte bringt das Polykrates-Syndrom auf den Punkt: Die Steigerung allzugroßen Glücks ist möglicherweise größtmögliches Unglück. Das sagt zumindest eine tief in uns verwurzelte Angst - und diese Angst und ihre Folgen stehen im Zentrum von Fians zweitem Roman.
Antonio Fian
1956 in Klagenfurt geboren, lebt in Wien; Dramatiker, Erzähler, Lyriker, Essayist, Kritiker.
Fian liefert in allen seinen Büchern »schwarzen Humor vom Feinsten«, meinte die FAZ, egal ob in der von ihm neu definierten Gattung des Dramoletts (der erste Sammelband, Was bisher geschah, erschien 1994) oder in seiner Prosa (ein Band mit gesammelten Erzählungen, Bis jetzt, erschien 2004, Im Schlaf. Erzählungen nach Träumen 2009). Schratt sein Roman erschien 1992.
Ein dünner Faden
»Menschliche Katastrophen als Stillleben«, so wurden Bernhard Strobels Erzählungen von Kritikern beschrieben. Die Menschen auch in seinen neuen Geschichten sind entsetzlich genervt voneinander, und diese Gereiztheit steht jeweils knapp vor einer beängstigenden Entladung.
Die lethargischen, schweigsamen (oder sprechfaulen?) Helden dieser Texte leben fast ausschließlich in ihren kleinen Häuschen, nicht in der Stadt, nicht am Land, sondern in der Region dazwischen; es gibt den kleinen oder größeren Garten, es gibt die obligatorische Garage, es gibt Nachbarn - und es gibt Kinder. Und das Ergebnis ist das schiere Gegenteil von Idylle: Vorwürfe, Aggressionen, Misstrauen, viel Unausgesprochenes und Geheimnisse, die Strobel, der »Meister des Weglassens«, seinen Personen ohnehin belassen würde, da er ihnen so wenig nahetritt, wie diese Personen Distanz zueinander halten. Die Groteske rund um diese Kleinstadthelden zeigt aber manchmal auch ihre komischen Seiten, etwa in der meisterhaften, in jedem Satz verblüffenden Brieferzählung, in der ein Rollstuhlfahrer in einem Krankenhaus seine Misanthropie nur allzu bereitwillig an den Nagel hängt.
Bernhard Strobel
geboren 1982 in Wien, lebt in Neusiedl am See. Autor und Übersetzer aus dem Norwegischen. Studium der Germanistik und Skandinavistik an der Universität Wien.
Veröffentlichungen: Sackgasse, Erzählungen (Droschl 2007), Nichts, nichts, Erzählungen (Droschl 2010); ebenfalls bei Droschl erschienen seine Übersetzungen von Tor Ulven. Diverse Preise und Auszeichnungen, u.a. Literaturpreis des Landes Burgenland 2003, Förderpreis der Stadt Wien 2014.