Schuberts Leibspeise

„Das Klo ist besetzt, offenbar sitzt einer drauf, der Durchfall hat", sagte Schubert, als er zurückkam.

Herr Piefke wunderte sich über die Geradlinigkeit seines österreichischen Geschäftspartners. („Ein guter Mann"!) Sie waren zum Mittagessen im Restaurant „Zur schönen Müllerin", Schubert hatte es vorgeschlagen. Auf der Speisekarte stand neben dem üblichen die Spezialität des Hauses „Schuberts Leibspeise".

„Das bin nicht ich", sagte Schubert, als Piefke eine diesbezügliche Bemerkung machte, „damit ist der Komponist Schubert gemeint, ich war noch nie in dem Lokal".

„Die Unvollendete, nicht?"

„Nein, die ist von Beethoven", sagte Schubert.

Es handelte sich um Taschen und Koffer, Schubert hatte die Vertretung in Wien, und Piefkes Anwesenheit stand in Zusammenhang mit einer möglichen Geschäftserweiterung nach Oberösterreich.

„Beethoven, nein das kann nicht stimmen, da bin ich ziemlich sicher"

Schubert zuckte bedauernd die Achseln, sichtlich war er sich auch sicher, wollte aber keine weitere Kontroverse mit Piefke.

„Ich möchte die Forelle „Müllerin Art", sagte er zum Kellner, sein Gesicht leuchtete bedeutungsvoll, seine Wahl war als Kompliment für den übergeordneten Deutschen gedacht. Dieser bestellte „Schuberts Lieblingsspeise".

„Gespannt, was das sein wird", sagte er und legte seinen Aktenkoffer auf den Tisch. „Kaufen Sie lebendige Taschen und Koffer, eben FORELLE", stand darauf. „Dabei sieht sein Maul aus wie das eines Karpfens", dachte Schubert.

Der Kellner braucht das Essen, „Schuberts Leibspeise" war gebackener Karpfen. Piefke schaute konzentriert auf seinen Teller. „Ihnen tropft ja fast der Appetitsaft aus dem breiten Maul", sagte Schubert, dann wurde seine Aufmerksamkeit verstärkt von der saftigen „Müllerin Art" in Anspruch genommen.

„Na so etwas", sagte Piefke plötzlich unter seinem schmatzenden Kauen, „ich habe doch gehört, daß die Dame nebenan ebenfalls „Schuberts Leibspeise" bestellt hat. Sehen Sie, was sie ißt?"

„Bratwurst mit Kraut und Kartoffeln, hahaha."

„Verstehen Sie das?"

„Schubert hatte wahrscheinlich mehrere Leibspeisen".

Nachdem der Kellner abserviert hatte, legte Piefke seinen Aktenkoffer wieder auf den Tisch, aber während er ihn öffnete, wurde er plötzlich unruhig. Schubert hatte den Eindruck, daß er blaß geworden war, und daß Schweiß auf seiner Stirn stand.

„Wo, sagten Sie, war das Klo?"

„Ich habe nichts gesagt, aber es ist gleich neben der Küche. Hoffentlich waren nicht Schuberts Typhusbazillen in Ihrer Leibspeise", sagte Schubert boshaft, denn es war ja Mozart, der an Thypus gestorben war. Piefke rannte gegen den Kellner, und diesem fiel unter anderem eine Portion Forelle vom Arm.

Zum/r Autor/in

geb. 1938, Medizinstudium in Wien, psychiatrische Ausbildung und wissenschaftliche Tätigkeit in Innsbruck, Wien, München und Toronto. Er lebt in Gramatneusiedl, NÖ. Schriftstellerisch tätig seit ca. 1980, Mitglied der Grazer Autorenversammlung und des Neusiedler Literaturklubs.

Veröffentlichungen:

"Meine Liebe zu Keja", Roman 2009."Inga und Ingo, die Tötung des Unterschieds", 2005; "M(arion), M(ax),M(anfred)", Roman 2000; "Die Anziehung von Pelztieren", Erzählungen, Neusiedl/See 1993; "Das Schweinehuhn", Erzählungen, Neusiedl 1992.

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